KUNSTSAMMLUNG
PETER ACKERMANN
Dank
Die Stadt Walldorf bedankt sich in besonderer Weise für die überaus großzügige Schenkung wichtiger Radierungen, Zeichnungen und Gemälde aus dem Werk von Peter Ackermann, die uns Monika Ackermann, die Witwe des Künstlers, überlassen hat. Darüber hinaus durften wir für den Katalog auch Privataufnahmen, die sich im Eigentum von Monika Ackermann befinden, verwenden. Auch hierfür gilt ihr unser ausdrücklicher Dank.
Es ist uns darüber hinaus eine besondere Freude, dass der Kunsthistoriker, Professor Dr. Andreas Franzke, die Verbindung zu Monika Ackermann hergestellt hat und uns bei Fragen zur Dokumentation der Arbeiten Peter Ackermanns und der Erstellung des Kataloges unterstützte.
Die Erweiterung der Walldorfer Kunstsammlung um eine bedeutende Werkgruppe mit Radierungen, Malerei und Zeichnungen aus dem Nachlass Peter Ackermanns wäre ohne die Initiative des Kunstbeauftragten Hartmuth Schweizer und ohne sein Engagement für eine fachgerechte Dokumentation und Präsentation nicht möglich gewesen. Hierfür gilt unser ausgesprochener Dank.
In gleicher Weise danken wir unserem ehemaligen Ersten Beigeordneten Dieter Astor für die Unterstützung bei der Vorbereitung und Durchführung der Ausstellung Peter Ackermann.
Schließlich gilt der Dank Frau Heike Käller, bei der in unserem Fachdienst Kultur alle Fäden zusammenliefen und die die Vorbereitung und Durchführung der Ausstellung in gewohnt ausgezeichneter Weise organisierte.
Stadt Walldorf, im November 2020.
Kurzbiografie
Peter Ackermann
1934 | geboren in Jena |
1953 | Studium der Theaterwissenschaft, Philosophie und Germanistik an der FU Berlin |
1956-62 | Studium an der Hochschule für Bildende Künste, Berlin |
1966 | Preis der Deutschen Kunstkritik |
1971 | Villa-Romana-Preis |
1971/72 | Aufenthalt in Florenz, ab da jährlich längere Zeit in Italien |
1972/73 | Gast-Dozentur an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste, Karlsruhe |
1976/77 | Professor an der Hochschule für Bildende Künste, Berlin |
1976 | Kunstpreis des Stadt Darmstadt |
1977 | Teilnahme an der Documenta 6, Kassel |
1977-97 | Professor für Malerei und Grafik an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste, Karlsruhe |
1997 | Ausstellung der Kunstakademie Karlsruhe zur Verabschiedung von Peter Ackermann |
2004 | Doppelausstellung des Landesmuseums Mainz und der Galerie Rehberg zum 70. Geburtstag des Künstlers |
2007 | Peter Ackermann stirbt im Februar in Valecchie/Cortona in Italien |
Katalogtext
von Hartmuth Schweizer
Peter Ackermann heute
Die von Monika Ackermann der Stadt Walldorf als Schenkung zur Verfügung gestellte Sammlung mit Radierungen, Zeichnungen und Malerei aus dem Nachlass von Peter Ackermann vermittelt einen eindrucksvollen Einblick in das Denken des Künstlers, in seine Bildwelt und in den stilistischen Einfallsreichtum sowie die technische Brillanz der Bildgestaltung. In einer ersten Präsentation sollen zunächst Werke aus den Jahren von 1970 bis 1979 vorgestellt werden, mit einem Schwerpunkt auf den Radierungen dieser Dekade, ergänzt um Zeichnungen und Gemälde die zu der Druckgrafik in einer thematischen und zeitlichen Verbindung stehen und um einige weitere Radierungen der 60er Jahre zur Verdeutlichung der stilistischen Veränderungen und neuer Einflüsse.
Besondere Aufmerksamkeit wird jenen Grafiken gelten, die bei Il Bisonte in Florenz, bei Il Nuovo Torcoliere in Rom und von La Tavolozza in Mailand gedruckt wurden, da sie die einzigartige Beziehung des Künstlers Ackermann zu Italien belegen.
Für die Mappenwerke zu politischen und literarischen Themen und die Radierfolgen, die Städte wie London, Berlin, Karlsruhe oder Heidelberg zum Thema haben, sowie für Zeichnungen und Aquarelle sind weitere Ausstellungen vorgesehen.
Nach seinem Studium von 1956 bis 1962 an der Staatlichen Hochschule für Bildende Künste in Berlin war dieses Jahrzehnt eine wichtige und fruchtbare Schaffensperiode des damals berühmten deutschen Künstlers, die durch die Jahre seiner Lehrtätigkeit an der Hochschule für Bildende Künste in Berlin und an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste in Karlsruhe geprägt war. Darüber hinaus wurde sein Werk auch und besonders in dieser Zeit mit der Verleihung bedeutender Preise gewürdigt.
Das waren unter anderem noch in den 60er Jahren der Preis der deutschen Kunstkritik, 1971 die Verleihung des Villa – Romana - Preises mit einem Stipendium in Florenz, 1976 der Kunstpreis der Stadt Darmstadt und 1977 die Ehre der Teilnahme an der Documenta 6 in Kassel.
Die Voraussetzung für diese außerordentliche Wertschätzung bildet das in wenigen Jahren zwischen 1963 und 1970 vorgelegte umfangreiche Hauptwerk der Radierungen des jungen Künstlers. Im Vorwort des Kataloges zur damals (1970) Aufsehen erregenden Ausstellung im Düsseldorfer Kunstverein der Rheinlande und Westfalen schreibt Karl-Heinz Hering:
„Aus der Verbindung einer sich ständig steigernden bildnerischen Phantasie und einer souverän zunehmenden Beherrschung der gestalterischen Mittel, in der die Handzeichnung eine begleitende Rolle spielt, erwuchs in wenigen Jahren ein zahlreiches und gerade wegen seines übersehbar festgelegten Themenbereichs nachdrückliches, weil ernstes, in allen seinen Verästelungen tief durchdachtes und durchgeformtes Werk, dessen Reife es jetzt gegeben erscheinen lässt, erstmals eine breitere Öffentlichkeit mit dem Künstler und seinem Schaffen zu konfrontieren“.
Eine weitere intensive Ausstellungstätigkeit und die bemerkenswerte Präsenz und Wertschätzung auch im Ausland machten Peter Ackermann in den Jahrzehnten des ausgehenden 20. Jahrhunderts im Gegensatz zu dem vorwiegend figurativ arbeitenden Horst Janssen, zu dem wohl wichtigsten deutschen Grafiker, dessen Werk ausschließlich der Architekturdarstellung gewidmet war..
50 Jahre nach jener denkwürdigen Ausstellung in Düsseldorf soll bei einer neuerlichen Betrachtung der heute hier vorliegenden Arbeiten neben der Darstellung inhaltlicher und stilistischer Aspekte auch die Frage gestellt werden, wie das Werk dieses für das 20. Jahrhundert so bedeutenden Künstlers, besonders seine, die Walldorfer Sammlung dominierenden Radierungen, heute im Jahr 2020 wahrgenommen werden.
Stellenwert der Radierung
Es soll neben dem oft als bedeutender eingeschätzten Inhalt und dem das Bild prägenden Stil ein zunächst peripher erscheinender Aspekt, die Technik der Bildfindung und deren materielle Realisierung an den Anfang gestellt werden. Besonders für die in den für das Werk Ackermanns hier betrachteten wichtigen Jahrzehnten der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts war die Druckgrafik von außerordentlicher Bedeutung.
Die in dieser Zeit diskutierte Demokratisierung von Kunst sah in den Möglichkeiten der Vervielfältigung eine Chance, dem elitär erscheinenden Künstlerkult, der seine Wurzeln noch im 19. Jahrhundert hatte, einen demokratischen Entwurf der Kunstproduktion entgegenzusetzen.
Dieser Diskurs kam für Peter Ackermann zur rechten Zeit, war doch für ihn die Radierung das entscheidende Mittel der künstlerischen Kommunikation – auch weil sie gegenüber der Malerei in der allgemeinen öffentlichen Wahrnehmung außerhalb des traditionellen Ausstellungsraumes einer Galerie oder des Museums eine größere Wirkung entfalten kann.
Ackermanns Werk ist durchdrungen von der Bedeutung der Linie, ob mit Bleistift, Kreide oder Kohle gezeichnet, in Metall gegraben oder geätzt. Die Linie ist die beharrlich und kontemplativ beobachtend von der Hand vorgetragene Spur, ein Ergebnis des Dialoges, der im Moment der Betrachtung der Welt und ihrer Reflexion erfolgt. Und sie dominiert naturgemäß als das der Technik der Radierung angemessene bildnerische Mittel diese Kunstform.
Für die Künstlerpersönlichkeit Peter Ackermann, der stets bescheiden auftrat, war diese Druckgrafik ideal, bildete sie doch auf beste Art seine skeptische Haltung gegenüber der medialen Aufgeregtheit einer Kunstszene ab. Die war von einer permanenten Präsenz der Künstlerstars und ihrer demonstrativ inszenierten Berühmtheit auf dem Kunstmarkt abhängig – und ist es übrigens bis heute immer noch. Wiederholte Bitten oder auch Mahnungen, seine Ausstellungstätigkeit zu intensivieren, lehnte er freundlich aber doch bestimmt ab.
Bezeichnend unter diesen Gesichtspunkten einer fast provozierenden Zurückhaltung ist auch die Wahl der Materialien, auf denen sich z. B. seine Zeichnung realisierte, sind sie doch oft völlig unscheinbar, wenig repräsentativ und der Zugriff oft vom Zufall abhängig:
Was gerade zur Verfügung stand, konnte als Bildträger genutzt werden ... neben dem klassischen Skizzenbuch konnte das ein einfacher Notizzettel, ein Briefumschlag, die Rückseite eines Kalenderblattes oder ein eingerissenes Stück Packpapier sein ...
Einer seiner Freunde, der bedeutende deutsche Schriftsteller Christoph Meckel, beschreibt treffend, dass Ackermann sich der für anhaltende Berühmtheit und für die durchaus mögliche Karriere notwendigen „athletischen Kunstproduktion“ entzog und: „Er wurde lieber Professor an einer Akademie, mit dem zunehmend sichtbaren Ergebnis einer nicht angreifbaren Autonomie.“
Eine vom Menschen verlassene Welt
Neben der für die heutige Bewertung der Rolle und der gesellschaftlichen Funktion des Künstlers und der Künstlerin jener Jahre in diesem Zusammenhang thematisierten Technik der Radierung, sind im Jahr 2020 natürlich die Bildinhalte von Peter Ackermanns Kunst für den zeitgenössischen Betrachter von vorrangiger Bedeutung. Ohnehin ist das primäre Interesse des Rezipienten und der Rezipientin im Dargestellten zu sehen und wie Realität abgebildet wird oder wie Phantasie die umgebende Welt verformt.
Der Bildgegenstand in Ackermanns Werk ist fast ausschließlich in der vom Menschen gestalteten Landschaft zu sehen, die nach Aussage des Künstlers die Architektur ausdrücklich einschließt und so das Gebaute mit all seinen Funktionen, existentieller aber auch ästhetischer Art, umfasst.
Nicht selten tritt die Bebauung eines Naturraumes in einen ausdrucksstarken Gegensatz zu den das Format dominierenden Leerflächen. Weite Ebenen eines ausgedehnten Vordergrundes oder große offene Räume um Architekturkomplexe scheinen das Gebaute zu akzentuieren – oder in Frage zu stellen.
Auch die gegenteilige Komposition verfolgt ähnliche Überlegungen, wenn wie im Bild „La porta“ auf den Seiten 15 und 39 eine Landschaft fast gänzlich von einer Tür verstellt wird, deren zentrales Element zudem ein ganz anderes ist, nämlich der komplizierte Schließmechanismus.
Vermutlich sind derartig formal auffällige Kompositionen in vielen Arbeiten ein Hinweis auf Ackermanns ambivalente Haltung gegenüber den architektonischen Eingriffen in die Natur, die dadurch für Deutungen offen bleiben und dem Betrachter auch unterschiedlichste Antworten möglich machen.
Die Landschaften des Künstlers sind menschenleer und die unbehaust erscheinenden Bauwerke sind still.
Der Mensch kommt, außer in den Mappenwerken zu literarischen und politischen Themen, kaum vor. Nach den Worten des Künstlers muss er nicht sichtbar anwesend sein, lebt er doch sein Leben hinter den Fassaden und ist immer in dem präsent, was er geschaffen hat, was er zerstört, umgeformt oder neu gebaut hat.
Peter Ackermann geht virtuos mit den bildnerischen Mitteln um, die ihm die Radierung bieten. Die differenzierte Plastizität und die notwendige Detailgenauigkeit, die eine große Kenntnis architektonischer Stilentwicklungen und deren Studium belegen, setzt er mit seiner an den alten Meistern geschulten Zeichentechnik dort ein, wo sie nach seinen Vorstellungen sinnvoll ist, oder er reduziert und bleibt skizzierend, wenn für den Betrachter Raum zur Wahrnehmung gegeben werden muss (Ausschnitt von Nr. 289, Aggregat, stillgelegt, Seite gegenüber).
Die in vielen Graustufen geätzte Aquatinta oder die Liniengefüge, die von hell beleuchteten Flächen bis ins tiefe Schwarz dichtester Schraffuren reichen, vermitteln die Dramatik von Licht und Schatten, von perspektivischen Illusionen, verschlossenen Durchblicken, von weiten Ebenen und hohen Himmeln. Die oftmals ge-
fährlich aufgeladen scheinende Atmosphäre, die Gewitterstürme anzukündigen droht oder in deren Höhe gewaltige Architekturkomplexe oder Steinquader schwerelos schweben oder auf die Landschaft stürzen, prägt die düstere Stimmung surreal und dystopisch anmutender Ansichten der vom Menschen verlassenen Welt.
In der Malerei wird diese Wirkung entweder durch zarte Farbnuancen relativiert oder durch teilweisen Entzug von Farbigkeit und durch die von grauer Monochromie und allenfalls in Resten von Erdtönen beherrschten und bis in tiefe Dunkelheit verdichteten Flächen wieder suggestiv verstärkt.
In einer späteren, schon in den 1980er Jahren einsetzenden Weiterentwicklung der malerischen Mittel werden Abstrahierungen von aus ihrem Zusammenhang gelösten Architekturfragmenten vorgenommen, flächig oder linear reduziert und teilweise, besonders in den Aquarellen, durch auffällig leichten Malduktus akzentuiert und in einen atmosphärisch bewegten Bildgrund gebettet. Sie scheinen sich frei im Raum zu bewegen und nähern sich dem Formenvokabular der ehemals klassischen Moderne an, mit der Peter Ackermann eigentlich wenig Berührungspunkte hatte (Seiten 66 bis 69 und 74 und 75).
Auf die große Bedeutung, die der Zeichnung als Absicherung des künstlerischen Prozesses, ausgehend von der sinnlichen Wahrnehmung bis zur bildnerischen Realisation zukommt und die dem Künstler auch als Scharnier zwischen naturalistischer Darstellung und
abstrahierender Reduktion diente, geht der Freund und Schriftsteller Christoph Meckel in einem eindrucksvollen Text zum Tod von Peter Ackermann ein. Christoph Meckel soll an der Stelle noch einmal zu Wort kommen. Er war nicht nur Freund, sondern auch einer der besten Kenner von Ackermanns Werk und schrieb 2007 in dem kleinen Band „Merkmal Miniaturen“, im Verlag Ulrich Keicher erschienen, Folgendes zur Besonderheit von Ackermanns Zeichnungen:
„Sie sind Aufzeichnung, Notierung, Untersuchung und Vermerk, sie sind ein Vergewissern und vieles mehr ... Das geschieht ohne Aufwand, aus dem Erinnern, im Vorbeigehn ... Es geschieht in der Gewissheit, souverän, nüchtern; in der Ungewissheit, zögernd, grübelnd; in Vergnügen, Neugier, in gesteigerter Bewusstheit und unwillkürlich ... Handzeichnungen, sie entstehen im Umkreis der über dem Papier sich bewegenden Hand. In diesem Umkreis, der in natürlicher Weise begrenzt ist, zeigt Peter Ackermann sein persönlichstes Können, ohne es zeigen oder demonstrieren zu wollen. Die Handzeichnung täuscht nicht, sie täuscht nichts vor.“
Christoph Meckel geht auch auf das schriftstellerische Werk Peter Ackermanns ein und erwähnt seinen Ausspruch „Ich fühle mich als Schriftsteller.“
Die poetischen Titel einiger Grafiken, wie „Zwischenwelten“, „Nachtumhüllt“ oder „Die Zeit läßt Räume erscheinen“ und Mappenwerke zu Gustave Flauberts „Jules und Henry“, zu expressionistischer Großstadtlyrik mit dem Titel „Oh Stadt der Schmerzen und Verzweiflung in düsterer Zeit“ und zu Georg Trakls „Verlassenheit“, zeigen Peter Ackermanns literarische Leidenschaft. In eigenen Texten, die leider fast unbekannt blieben, nähert er sich sowohl stilistisch als auch inhaltlich der geheimnisvollen Realität seiner Bilder an.
Diese Begeisterung für die Dichtung ermöglicht ihm außerdem eine melancholische und auch ironisch distanzierende Betrachtung der Welt und offenbart eine Seite des Künstlers, die bei den mehrheitlich rational, lapidar und objektiv erscheinenden Titeln vieler seiner Werke („Kleine Halle mit Anbauten“, „Fenster in Venedig“, „Nah am Zentrum“, „Baumassiv vor Leuchtröhren“, „Eckhaus mit Tankstelle“, „Kleiner Platz“, „Zwei Häuser“) zunächst überraschend ist.
Dramatisches Hell-Dunkel oder die fragile, labile Statik der zuweilen zu objekthaften Gebilden gefügten Giebel, Ornamente, Säulen- und Gebälkbruchstücke, Türrahmen, von Industrieschrott und Teilen von Autokarrosserien, künden vom Scheitern vergangenen
Lebens, erzählen von der Vergänglichkeit, die in den Ruinen und Mauern haust und die ohne Aufregung ihr Werk vollendet.
Das Unabwendbare, wie Gegenwart mit Vergangenheit umgeht, wie Zukunft immer auch durch gegenwärtiges Handeln ungeahnt im Keim angelegt ist – dieses gewaltige Naturhafte, macht Peter Ackermann auch sichtbar, indem er Architektur wie in geologischen Gesteinsschichten zusammengepresst zeigt. Wie eine Wand kann eine tiefe Landschaft scheinbar emporwachsen (Nr. 218, Ein Wappen aus Viterbo, S. 21 und S. 31) oder das Gebaute sich so verdichten, dass es wieder Natur wird und sich wie angeschnittene Erdzeitalter vor dem Betrachter auftürmt.
Weite Landschaften und Naturausschnitte aus dem Garten seines Atelier- und Wohnhauses (Abb. auf dieser Seite) oder der Umgebung seiner Wahlheimat Valecchie in der Toskana, wo Peter Ackermann Arkadien und auch seine letzte Ruhe fand, versprechen Erholung und ein Stück Frieden und kleine Fluchten aus dem vom Künstler dokumentierten Drama der menschlichen Existenz.
Dekonstruktion und Rekonstruktion
Eine heute vorgenommene Würdigung des Werkes von Peter Ackermann muss auch die Frage berücksichtigen, ob und wie sich vierzig Jahre nach der großen Ausstellung 1980 in Darmstadt – wenn wir dieses Datum als Referenzpunkt für den Entstehungszeitraum unserer Walldorfer Arbeiten sehen – die Wahrnehmung von Ackermanns Kunst verändert hat und wie sein kritischer Blick auf die Welt heute zu sehen ist.
Die damalige Präsentation, die mit zwei Katalogen und dem darin anfangs genannten Werkverzeichnis begleitet wurde, ist von der Kunsthistorikerin Elisabeth Krimmel und dem Kulturpolitiker und Direktor der Darmstädter Städtischen Kunstsammlungen und des Instituts Mathildenhöhe, Bernd Krimmel, kenntnis- und ideenreich, unter Berücksichtigung umfangreicher ikonografischer, stilistischer und philosophischer Aspekte in einen kunsthistorischen Kontext eingebettet worden.
Für den heutigen Betrachter der Werke Ackermanns ergeben sich mit Sicherheit neue Perspektiven, aktuelle Deutungen und Fragen zu den Arbeiten des Künstlers.
Die Konfrontation mit dem Stadtraum Berlins in den 1960er Jahren als einem verletzlichen, verletzten und der permanenten Veränderung unterworfenen Organismus, wird für Peter Ackermanns frühe künstlerische Entwicklung während seines Studiums prägende Eindrücke hinterlassen haben. Die Wahrnehmung der noch vom Krieg geschlagenen Wunden im Stadtbild, die sicher einen wichtigen Einfluss auf sein Werk hatten, sensibilisierten ihn für eine Bildsprache, die später zunächst die Auflösung von Architektur in emblematische Bruchstücke bewirkte, um dann, davon abgeleitet, eine neue, synthetische Zusammenführung der Fragmente zu ermöglichen.
Dem Künstler wird dadurch eine Rekonstruktion der „Verwüstung der Stadt“ möglich, wie er es in einem Essay 1970 für die Galerie Lietzow in Berlin nennt. Er entwickelt eine Formensprache, eine Untersuchung der baulichen Elemente, die sich ihm, im Nebeneinander von Ruinen sowie von vorläufig Wiederhergestelltem und von neu Gebautem, in seiner Umgebung meist heterogen darbieten. Er kann diese Einzelteile wie in einem Katalog sammeln und ein Vokabular des Bauens entwerfen, wobei er sich allerdings nicht einer konsequenten Systematik unterwirft, sondern ihre Ungleichzeitigkeit und Uneinheitlichkeit bewusst in den Vordergrund stellt.
Ein „geborgen sein“ im Behausten, das „zu Hause sein“ im Wohnhaus, in der Umgebung eines intakten Bauensembles, einer Straße oder auf einem Platz, vermittelt sich dem Künstler und dem Betrachter seiner Kunst nur in den seltensten Fällen.
Deutlich wird diese Geborgenheit sichtbar, wird eine Zuneigung und eine Vertrautheit zu dem, was dem Künstler nahe ist, spürbar, ja man muss es mit Heimat beschreiben, nur bei den Zeichnungen und Aquarellen von Valecchie, seinem Wohnhaus, seinem Atelier und dem Garten. Beispiele dafür auf den Seiten 19, 74, 75, 76 und 85.
Sein intensives Interesse an der ihn umgebenden Architektur und die Wertschätzung derselben sowie die ihrer akribisch untersuchten Details bleiben allerdings in jeder Linie, in jedem Pinselstrich erkennbar.
Besonders für die in unserer Sammlung relevanten Phase, der durch das Villa-Romana-Stipendium erkennbar intensivierten Begeisterung für italienische Baukunst, für die Theorien der Antike und die Meister der Renaissance, könnte die Suche nach Arkadien eine treibende Kraft gewesen sein.
Aber auch hier, in den geliebten italienischen Kulturstädten, den Dörfern, den stillen Kirchenräumen, den verlassenen Werkstätten, den Markthallen, den Fabriken und anderen Ingenieurbauten bleibt der sezierende Blick des Künstlers für das dem Verfall Preisgegebene und das vorläufig oder nur halbherzig wieder Hergestellte erhalten. Peter Ackermann ist sich offensichtlich immer bewusst, dass das vielleicht ehemals gedachte Ideal einer Stadt und die vollkommene Harmonie eines Bauwerks nie realisiert werden konnten und auch in Zukunft nie zu verwirklichen sein würden ... auch wenn in Demonstrationen politischer Macht und Unterdrückung Herrschaftsarchitektur Dauer verspricht, ein Versprechen, das nie zu halten war. Hinter dem Zusammenbruch der Symbole von gebauter Anmaßung und Hybris werden schon neue errichtet und sind schon der Zerstörung preisgegeben, bevor der Umbau und der Neubau retten kann, was nicht zu retten ist.
Mit beeindruckender Konsequenz nimmt er sich des großen kulturellen Erbes an, das er in Italien aus Antike und Renaissance vorfindet. Dessen gedankliches Fundament wird von Vitruv, dem großen antiken Architekturtheoretiker in seinen zehn Büchern über die Baukunst „De architectura libri decem“ formuliert, dessen Theorie Peter Ackermann vertraut war. Die wichtigsten Thesen, Firmitas (Festigkeit/Konstruktion), Utilitas (Nützlichkeit/Funktion) und Venustas (Schönheit) bilden das Bezugssystem, innerhalb dessen Rahmens sich auch der Blick des Grafikers und Malers auf seine gebaute Umgebung entfaltet und nach dessen Gesichtspunkten er seine bildnerische Auswahl trifft.
Mit Vitruv weiß der Künstler, die Architektur hat in jeder Epoche den mehr oder weniger ausgeprägt formulierten Auftrag, die Werte der sie hervorbringenden Gesellschaft zeichenhaft zu repräsentieren. Dies führt zwangsläufig zu Brüchen und zu Fragen, welchen Stellenwert das historische Erbe in der Gegenwart einnimmt und wie das neu Gebaute dazu steht. Beispiele dieses Konfliktes und die unterschiedlichsten Lösungen sind uns allzu gegenwärtig und werden von Peter Ackermann immer wieder thematisiert.
Zu allen Zeiten waren die Zerstörung und der Verlust von Architekturgeschichte traurige Realität und die Notwendigkeit, damit umzugehen, eine große Herausforderung.
Die Möglichkeiten reichten vom identischen Wiederaufbau, vom Abriss des Alten – der Auslöschung von Erinnerung – bis zu den evolutionären sanften Veränderungen oder der in einen historischen Baukörper eingepflanzten neuen Form mit neuen Materialien, um eine Erinnerung in Teilen zu bewahren und der neuen Zeit doch Raum zu geben und ihren Forderungen nachzukommen.
All das hat auch Peter Ackermann schon in phantastisch erscheinenden Konstrukten und dystopisch wirkenden Landschaften demonstriert – immer sind es doch letztlich Szenerien, die Realität wiedergeben, sind es Veduten von Umbruch und Abbruch und Neuinterpretation.
Ein sich oft wiederholendes Motiv des Künstlers ist das Implantieren gläserner oder stählerner Konstruktionen, entnommen aus Fabriken oder Einkaufspassagen, in historische Bauwerke, wo sie mit Renaissanceelementen, Giebeln, Voluten und Ornamenten, auch mit Autoteilen, konkurrieren.
Im Bild gegenüber (Nr. 397) schwebt isoliert ein Dach, aus einer dieser im 19. Jahrhundert so beliebten und mondänen großstädtischen Galerien, aus seinem ursprünglichen Funktionszusammenhang gelöst, über einer Landschaft mit verschiedenartigen Bauwerken. Sie scheinen unterschiedlichen Epochen zugehörig, lassen verschiedenste Funktionen erahnen und ihr Erhaltungszustand ist teilweise höchst prekär. Somit ist kaum mit der Anwesenheit von Bewohnern zu rechnen, zumal die Umgebung der Bauten trotz zivilisatorischer Spuren ehemaliger Gartenanlagen, eines Geländers auf einem abgebrochenen Mauerstück und dem Rest einer Holztreppe, den Eindruck vergangener Zerstörungen erweckt. Dem Titel gemäß, scheint der schwebende Schutz als fremdes Element das Ensemble vor weiteren Eingriffen zu bewahren.
Mit leichter Hand gestaltet Ackermann technisch und stilistisch sicher die Spannung der verschieden weit ausgearbeiteten Bereiche des skizzenhaft gebliebenen landschaftlichen Vordergrundes und der in den Details und der Plastizität unterschiedlich differenzierten Baukörper und deren Wandflächen. Die mit stupender Technik konsequent durchgezeichnete Ziegelwand des parallel zur Bildebene stehenden rechten Gebäudes bildet mit seiner dunklen Fläche das kompositorische Gegengewicht zum offenen Himmel und zu den in Rembrandtscher Manier locker und voller Licht bleibenden Landschaftselementen, denen sich die übrigen Bauten in Kontur und Form der Volumina rhythmisch eingliedern.
Die neben dem leicht erscheinenden Dach besonders schwer, stabil und statisch das Bild dominierende Ziegelwand verweist auf Brüche in der Baugeschichte des Gebäudes. Die plastisch prägnant ausgearbeiteten Segment- und Dreiecksgiebelfenster der extrem schräg gesehenen und damit äußerst schmal dargestellten Fensterfront zeigen stilistische Merkmale eines ehemals repräsentativen Gebäudes. Arkadenartige Bogenformen auf dem bilddominanten Mauerwerk sind ein Hinweis auf frühere Anbauten oder auf zugemauerte, ehemals offene Gebäudeteile. Beobachtungen dieser Art wird Peter Ackermann an vielen Bauwerken in Italien gemacht haben, deren Gründung noch in die römische Antike zurückreicht und die die alte Bausubstanz integriert haben – ein typisches Phänomen architektonischer Kontinuität über lange Zeiträume unter Bewahrung historischer Strukturen oft unterschiedlichster Stilepochen.
Reiches Anschauungsmaterial dieser Art werden ihm besonders in Rom Kulturbruchstellen geliefert haben, an denen sich wie in kaum einer anderen italienischen oder europäischen Stadt Epochen durchdringen. Zeichnungen vor Ort, unter anderem in Santa Maria degli Angeli und anderen Basiliken, in deren Baugeschichte von oft über einem Jahrtausend heterogene Elemente zu einer Einheit zusammengeführt wurden, belegen dies. So finden sich zum Beispiel vor einer antiken Wand eines ursprünglich profanen Zwecken dienenden Raumes Säulen, die vor langer Zeit aus einem Tempel entnommen, heute einen sakralen frühchristlichen Kultraum zieren. Unter einer Renaissancedecke, die später eingezogen wurde, lässt die Form der Fenster schließen, dass der jetzige Kirchenraum ehemals ein Thermensaal war, während barocke Seitenaltäre und schließlich zeitgenössische Skulpturen sowie moderne architektonische Ergänzungen einen Katalog der Stilgeschichte vervollkommnen.
Mit faszinierenden Zeichnungen, die in ihrer stilistischen Spannweite von der spontanen Skizze bis zu differenziert ausgearbeiteten Blättern reicht und die in allen denkbaren Techniken realisiert werden, dokumentiert Peter Ackermann diesen in Jahrhunderten und Jahrtausenden gewachsenen Reichtum der Architekturformen und ihre Ausdruckskraft (Seiten 70/72/73/74). Die beobachtete Heterogenität, das Unfertige und das in späteren Epochen Umgearbeitete inspirierten ihn zu Dekonstruktionen des Gesehenen in autonomen Zeichnungen, in Aquarellen und in großen Formaten der Tafelmalerei. In seinem druckgrafischen Werk verfolgt Ackermann die Idee, das Disparate der zerstörten Architektur und der einander fremden Bauformen zu einer neuen komplexen Einheit zu synthetisieren, wie es exemplarisch die Radierung, mit dem Titel „Großer Vorhang“ (Abbildung Seite 27) zeigt. Sie versammelt sehr dicht und formatfüllend eine repräsentative Auswahl an Bildelementen, auf die der Künstler sehr oft zurückgreift und die den bis jetzt dargestellten gedanklichen Hintergrund noch einmal bildhaft konkretisieren können.
Der Vorhang ist, wie viele andere Werke zeigen, ein häufig eingesetzter Bildgegenstand (siehe auch Seite 82/83). Er verhüllt hier eine große Fläche der massiven, weit zum Betrachter vorgeschobenen Wand mit einem der Rustika verwandten Mauerwerk. Der Bildraum wird dadurch fast vollkommen verschlossen, wozu auch der Vorhang beiträgt, der ebenfalls in seiner Funktion, etwas zu verhüllen, vielleicht ein Geheimnis zu verbergen, eingesetzt ist. Beide Elemente schließen jeden Blick in die Weite einer denkbaren Landschaft und einen perspektivisch möglichen Tiefenraum aus – der Vorhang leicht und potentiell beweglich, das Mauerwerk massiv und bedrohlich als Schutz und Herrschaftszeichen gedacht, wie es zum Beispiel die Macht und Reichtum repräsentierenden Stadtpaläste der einflussreichen Florentiner Familien der Renaissance demonstrieren.
Bauglieder, wie der in unterschiedlichster Form mehrfach wiederholte Bogen, als Fenster, als Durchgang oder als Arkade geformt, bilden den oberen Abschluss der wehrhaften Mauer. Alle diese Elemente widersprechen ihrer ursprünglich vorgesehenen Funktion als Durchgänge oder als Öffnung nach außen oder in einen Raum. Sie sind zugemauert oder mit vielfältig geformten Gittern verschlossen. Allenfalls ein ganz schmaler heller Streifen, mit einem hallenartigen, zentralperspektivisch konstruierten Raumelement in der Mitte, öffnet einen sehr begrenzten Ausblick, der aber letztlich die offensichtlichen Zerstörungen im oberen Teil des gedachten Bauwerkes nur noch eindringlicher betont.
Peter Ackermann ist ein Meister im Verschleiern der Eindeutigkeit von Zeichen. Die Lust an der Irritation, am Ambivalenten und sein Vergnügen und die Freude, Zweifel an unserer Wahrnehmung zu schüren, sind offensichtlich. Ist die eben beschriebene Zerstörung ein Hinweis auf Vergänglichkeit oder bestätigt sie noch mehr, als wir zuzugeben bereit sind, die Dauer auch des Ruinösen?
Der Titel der Radierung „Unzerbrechliche Bruchstücke“ (Abbildung Seite 29), unterstreicht die letzte Vermutung sehr eindringlich. Auch die heutige Erfahrung des Reisenden, seine Bewunderung für die von genialen Baumeistern der Antike geschaffene Architektur wird von Ackermann in dieser Darstellung geteilt. Angesichts der immer noch machtvoll in der römischen Campagna aufragenden Relikte ehemaliger Größe werden das Fehlen von Leben und die Hinweise auf die heutige Zivilisation besonders eindringlich wahrgenommen. Einzig eine an einer labil erscheinenden Konstruktion weit vorragende Schirmlampe verweist auf moderne, aber hier sinnlose technische Gegenwart. Aber auch sie kann die tiefen schwarzen Schatten einer zyklopisch anmutenden, hoch aufgemauerten Wand nicht erhellen. Sie erinnert an eine die Zeiten überdauernden Reste gewaltiger, ins Freie transportierter Zisternen oder an die immer noch Macht und Hybris ausstrahlenden Ruinen der Kaiserpaläste auf dem Palatin in Rom und bildet in der Schwärze ihrer dichten Schraffur ein bedrohlich aufragendes Element auf der linken Seite des Bildes, wo bis fast an den vorderen Bildrand mächtige Steinbrocken die urtümlich Kraft der Natur beweisen: Die unzerbrechlichen Bruchstücke. Die rechte Seite des Bildformates dehnt sich von ganz vorne in die mit leichter Hand, hell und skizzenhaft, von zarten Aquatintaflächen durchwebte Landschaft. Sie wird von einer gigantischen Bogenkonstruktion dominiert – vielleicht sind es Teile eines Aquäduktes, die immer noch weiten Ebenen in Italien ihr Gesicht geben.
Für solche Veduten schwärmten die Bildungsreisenden vieler Generationen. Auch Goethe und Tischbein gaben eine berühmt und bildgewordene Stellungnahme für diese Landschaft ab. Peter Ackermann zeigt allerdings neben Bewunderung auch Skepsis und warnt mit einem schwebenden Objekt in achteckiger Form - vielleicht einem Teilstück eines gemauerten Pfeilers - dem romantischen Ambiente und erhofften Idyll, nicht allzu viel Vertrauen entgegenzubringen. Im Gegensatz zu all denen, die in Arkadien ihr Glück suchen, weiß er, dass mit den Worten „et in arcadia ego“ der Tod spricht.
Nachwort
von Hartmuth Schweizer
Erinnerungen, Persönliches, Historisches
Als Ergänzung der in diesem Katalog vorgenommenen knappen Charakterisierung von Peter Ackermanns Werk mit dem Schwerpunkt der Radierungen der 1970er Jahre, soll noch einmal daran erinnert werden, dass in folgenden Ausstellungen der Stadt Walldorf das Schaffen des Künstlers mit der Präsentation der großen Gemälde, der Zeichnungen, der Aquarelle und mit Verweisen auf seine literarische Begabung möglichst vervollständigt wird.
Letztere ist weitgehend unbekannt geblieben. Durch den Schriftsteller und Grafiker Christoph Meckel und Monika Ackermann habe ich eine außergewöhnlich interessante Veröffentlichung aus dem Jahr 2003 mit Erzählungen und Kurzgeschichten kennengelernt, die eine poetische, phantasievolle und skurrile Betrachtung der Welt offenbaren. Begleitet sind die Texte von einer umfangreichen Sammlung an Zeichnungen und Aquarellen der 1980er und 1990er Jahre.
Ihre Vielfalt ist beeindruckend und für das Verständnis des Gesamtwerks unentbehrlich, weshalb für den jetzigen Katalog schon einige beispielhaft ausgewählt wurden.
Erinnerungen
Ich lernte in den 1970er Jahren Peter Ackermann an der Kunstakademie in Karlsruhe kennen. Er war schon berühmt, hatte eine Professur, ich war Student und bewunderte ihn, besonders seine Radierungen.
Ohnehin war mir damals von seinem Werk zunächst nur die Druckgrafik präsent.
Es sind, wenn mich meine Erinnerung nicht trügt, besonders die beiden Blätter auf den folgenden Seiten gewesen, die ich noch heute mit der ersten Wahrnehmung des Künstlers Ackermann verbinde. Die Grafik mit dem Titel „Die große Gärtnerei“ kannte ich aus einer Karlsruher Galerie, das andere Blatt, „Aspekte Livornos“, wohl aus einem Kunstmagazin oder einer Ausstellungsankündigung.
Weil ich selbst häufig in der Radierwerkstatt der Akademie arbeitete, sah ich Peter Ackermann dort auch einige Male mit dem damaligen Werkstattleiter Steinert in Diskussionen vertieft. Dieser druckte auch, soviel ich weiß, mindestens eine Auflage. Da ich als Student mir meiner Fähigkeiten noch nicht sicher war und ohnehin zu schüchtern, mein großes Vorbild anzusprechen und er ebenfalls ein eher zurückhaltender Mensch gewesen ist, kam es zu der Zeit zu keinem Gespräch.
Die Faszination der Radierung
Die Bedeutung der druckgrafischen Technik als Medium der Vervielfältigung wurde schon im einführenden Katalogtext erwähnt. Darüber hinaus sind die Gründe für die Begeisterung an diesem bildnerischen Verfahren äußerst vielfältig und betreffen sowohl rein künstlerische Aspekte als auch gleichermaßen den handwerklichen Vorgang des „Zeichnens in Metall“ und den Vorgang des Druckens selbst.
Auch die Geschichte der Druckgrafik, die bis ins 15. Jahrhundert zurückreicht und gegen Ende des Mittelalters zum ersten Mal die Möglichkeit einer weiten und schnellen Verbreitung von Informationen durch dieses neue Medium bot, wird noch heute einen gewichtigen Anteil der Faszination an dieser Technik – auch für zeitgenössische Künstlerinnen und Künstler – ausmachen. Die Atmosphäre einer Druckwerkstatt ist heute nicht so viel anders als sie zur Zeit Albrecht Dürers war.
Unbeschreiblich ist jedenfalls immer wieder die Freude, nach vielen Schritten der Vorbereitung, den Druck, wenn er aus der Presse kommt, schließlich in der Hand zu halten. Das schwere, noch feuchte Kupferdruckpapier, die fühlbare Prägung durch die Platte und letztlich die leicht erhaben auf dem Papier sitzende Tiefdruckfarbe sind sinnliche Erfahrungen, die die Mühen der Arbeit in der handwerklichen Phase der Realisierung des Druckes belohnen.
Die Beschichtung der Metallplatte – für die Strichätzung eine andere als für die Flächenätzung – das Zeichnen in die Asphaltschicht, die Ätzung, das Entfernen der Schicht mit einem Lösungsmittel, das Einreiben der charakteristisch riechenden Farbe, das Abwischen, die Anlage von Platte und Papier auf dem Drucktisch, die Einstellung des Druckes und schließlich das Drucken, sind Arbeiten, die ohne viel Erfahrung und Übung nicht gelingen.
Diese Verbindung von Handwerk und Kunst ist für den Radierer auch deshalb ein ganz besonders intensives Erlebnis, weil doch gerade an diesem Schnittpunkt der Wandel nachvollziehbar ist, den der mittelalterliche Künstlerhandwerker mit dem Schritt zum freien Künstler der Renaissance einleitet.
Und gerade die druckgrafischen Erzeugnisse haben daran einen nicht unerheblichen Anteil. Ihr Verkauf auf den Märkten, neben Fisch und Fleisch, neben den geschlachteten Hühnern und Schweinen, dem Gemüse, den Gewürzen und Küchenutensilien oder den Alltagsgegenständen aller Art, ist der Anfang der Verfügbarkeit von Kunst auf dem freien Markt. Er verschafft dem Künstler die Möglichkeit, über sein Werk frei entscheiden zu können – mit all den Nachteilen der Kunst als Ware, die heute so oft und zu Recht beklagt werden.
Es waren auch die grafischen Künste, die durch den zunächst dominierenden Kupferstich die Verbreitung der Werke bedeutender und bahnbrechender Künstler der Renaissance europaweit ermöglichten. Erst ab dem 17. Jahrhundert setzte sich die Technik der Radierung durch.
Mit ihr ist dem Künstler eine größere Freiheit der spontanen, auch skizzenhaften Linienführung gegeben, die die Entwicklung der Grafik im 20. Jahrhundert mit brillanten Zeichnern und Radierern, wie Horst Janssen und schließlich Peter Ackermann, bestimmen wird.
Neben Peter Ackermann konnte in den 60er Jahren jenes Jahrhunderts auch der brillante Zeichner und Radierer Horst Janssen Berühmtheit erlangen.
In meiner Karlsruher WG hingen an einer Wand Reproduktionen von Grafiken dieser beiden Künstler. Sie waren in der Qualität ihres grafischen Werkes gleichwertig, ihre Themen waren allerdings sehr unterschiedlich und noch viel mehr unterschieden sich ihre Persönlichkeiten. Ein damals berühmtes Foto von Janssen, mit Stiefmütterchen auf den Augen, hätte es von Peter Ackermann nie gegeben.
Die italienische Heimat
von Peter Ackermann heute
Cortona, etwa drei Kilometer von Valecchie entfernt (oben). Peter und Monika Ackermanns Haus und Garten (Mitte rechts) sind noch so, wie zu der Zeit, als die beiden dort lebten. Im Innern modernisiert, können heute kleine Wohneinheiten von Urlaubern gemietet werden (unter dem Stichwort „Borgo Valecchie“ im Internet zu finden). Mitte links die Grabstätte Peter Ackermanns in dem kleinen Dorf Valecchie, zu deren Gestaltung der Freund und Bildhauer Joachim Schmettau eine Skulptur geschaffen hat. Unten bezeugt eine naturalistische Zeichnung von Atelier und Garten die Zuneigung des Künstlers zu seinem italienischen Zuhause.
EIN EINBLICK:
DAS KÜNSTLERISCHE SCHAFFEN
Die von Monika Ackermann der Stadt Walldorf als Schenkung zur Verfügung gestellte Sammlung mit Radierungen, Zeichnungen und Malerei aus dem Nachlass von Peter Ackermann vermittelt einen eindrucksvollen Einblick in das Denken des Künstlers, in seine Bildwelt und in den stilistischen Einfallsreichtum sowie die technische Brillanz der Bildgestaltung. In einer ersten Präsentation sollen zunächst Werke aus den Jahren von 1970 bis 1979 vorgestellt werden, mit einem Schwerpunkt auf den Radierungen dieser Dekade, ergänzt um Zeichnungen und Gemälde die zu der Druckgrafik in einer thematischen und zeitlichen Verbindung stehen und um einige weitere Radierungen der 60er Jahre zur Verdeutlichung der stilistischen Veränderungen und neuer Einflüsse.
Besondere Aufmerksamkeit wird jenen Grafiken gelten, die bei Il Bisonte in Florenz, bei Il Nuovo Torcoliere in Rom und von La Tavolozza in Mailand gedruckt wurden, da sie die einzigartige Beziehung des Künstlers Ackermann zu Italien belegen.
Für die Mappenwerke zu politischen und literarischen Themen und die Radierfolgen, die Städte wie London, Berlin, Karlsruhe oder Heidelberg zum Thema haben, sowie für Zeichnungen und Aquarelle sind weitere Ausstellungen vorgesehen.
Nach seinem Studium von 1956 bis 1962 an der Staatlichen Hochschule für Bildende Künste in Berlin war dieses Jahrzehnt eine wichtige und fruchtbare Schaffensperiode des damals berühmten deutschen Künstlers, die durch die Jahre seiner Lehrtätigkeit an der Hochschule für Bildende Künste in Berlin und an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste in Karlsruhe geprägt war. Darüber hinaus wurde sein Werk auch und besonders in dieser Zeit mit der Verleihung bedeutender Preise gewürdigt.
Das waren unter anderem noch in den 60er Jahren der Preis der deutschen Kunstkritik, 1971 die Verleihung des Villa – Romana - Preises mit einem Stipendium in Florenz, 1976 der Kunstpreis der Stadt Darmstadt und 1977 die Ehre der Teilnahme an der Documenta 6 in Kassel.
Die Voraussetzung für diese außerordentliche Wertschätzung bildet das in wenigen Jahren zwischen 1963 und 1970 vorgelegte umfangreiche Hauptwerk der Radierungen des jungen Künstlers. Im Vorwort des Kataloges zur damals (1970) Aufsehen erregenden Ausstellung im Düsseldorfer Kunstverein der Rheinlande und Westfalen schreibt Karl-Heinz Hering:
„Aus der Verbindung einer sich ständig steigernden bildnerischen Phantasie und einer souverän zunehmenden Beherrschung der gestalterischen Mittel, in der die Handzeichnung eine begleitende Rolle spielt, erwuchs in wenigen Jahren ein zahlreiches und gerade wegen seines übersehbar festgelegten Themenbereichs nachdrückliches, weil ernstes, in allen seinen Verästelungen tief durchdachtes und durchgeformtes Werk, dessen Reife es jetzt gegeben erscheinen lässt, erstmals eine breitere Öffentlichkeit mit dem Künstler und seinem Schaffen zu konfrontieren“.
Eine weitere intensive Ausstellungstätigkeit und die bemerkenswerte Präsenz und Wertschätzung auch im Ausland machten Peter Ackermann in den Jahrzehnten des ausgehenden 20. Jahrhunderts im Gegensatz zu dem vorwiegend figurativ arbeitenden Horst Janssen, zu dem wohl wichtigsten deutschen Grafiker, dessen Werk ausschließlich der Architekturdarstellung gewidmet war..
50 Jahre nach jener denkwürdigen Ausstellung in Düsseldorf soll bei einer neuerlichen Betrachtung der heute hier vorliegenden Arbeiten neben der Darstellung inhaltlicher und stilistischer Aspekte auch die Frage gestellt werden, wie das Werk dieses für das 20. Jahrhundert so bedeutenden Künstlers, besonders seine, die Walldorfer Sammlung dominierenden Radierungen, heute im Jahr 2020 wahrgenommen werden.